Übersetzung, Kinderbetreuung und Schutzstatus S für alle!
Im Rahmen der 13. Aktionswoche gegen Rassismus fand am Samstag die Veranstaltung «Wissen ist Ressource - Hören wir geflüchteten Frauen zu!» statt. Geflüchtete Frauen haben ihre Anliegen und Bedürfnisse mit den Anwesenden geteilt und gemeinsam mit den Anwesenden Lösungsansätze erarbeitet.
Trotz sonnigem Wetter fanden sich am Samstag Nachmittag über 60 Personen in der neuen Überbauung im Holligerhof ein. Die Organisatorinnen von «Wir alle sind Bern», dem Feministischen Streikkollektiv Bern und dem Projekt «Stimmen geflüchteter Frauen» von Brava empfingen die Teilnehmenden in den lichtdurchfluteten Räumen des Restaurant Dock 8 zur Veranstaltung «Wissen ist Ressource».
Über Geflüchtete wird oft gesprochen, doch nur selten sitzen sie dabei selbst am Tisch. Und das, obwohl sie viel zu sagen haben, wie ein im Rahmen des «Stimmen-Projekts» von geflüchteten Frauen erarbeiteter Forderungskatalog zeigt. Diese Forderungen sollen mehr Gehör finden. Bei politischen Entscheidungsträger_innen, aber auch in der Gesellschaft. Am vergangenen Samstag teilten geflüchtete Frauen ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit. Es sind Geschichten, die tief gehen und blicken lassen: Eine Frau spricht darüber, dass sie mit ihrer kleinen Tochter auf der Männer-Etage der Asylunterkunft untergebracht wurde. In der Nacht kam ein schwer betrunkener Mann in das nicht abschliessbare Zimmer. Eine andere Frau spricht über die Diskriminierung, die sie vom Gesundheitspersonal erfährt, sobald sie ihr Wohnort - eine Asylunterkunft - bekannt gibt. Andere berichten von sexuellen Übergriffen in Asylunterkünften und dem fehlenden Schutz vor Gewalt.
In drei Kleingruppen wurden folgende Themen vertieft diskutiert und konkrete Lösungsmassnahmen gesucht, um die Situation von Geflüchteten zu verbessern:
Mangelhafte Versorgung der psychischen und physischen Gesundheit von Bewohner_innen in Asylunterkünften
Es braucht u.a.: Kinderbetreuung um Arzttermine wahrnehmen zu können; Gründung eines Gesundheitskollektivs oder Gesundheitszentrums mit speziell geschultem Personal; Übersetzungsmöglichkeiten bei ärztlichen Behandlungen;
Fehlender Schutz vor Gewalt und Forderungen nach geschlechtersensibler Unterbringung
Es braucht u.a.: Bessere Ausbildung (bspw. zu geschlechterspezifischen Bedürfnissen) für Betreuungspersonen in Asylzentren; verbindlicher Leitfaden gegen Gewalt und für geschlechtersensible Unterbringung, Betreuung und Unterstützung in Asylunterkünften; sichere Aufenthaltsräume; abschliessbare Zimmer; Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten; Besuchsmöglichkeiten durch Freiwillige von aussen
Unterschiedliche Formen der Aufenthaltsbewilligungen und deren Auswirkungen auf die Wohnsituation und Arbeitsmöglichkeiten
Es braucht u.a.: Abschaffung des Status F - Schutzstatus S für alle Geflüchteten; Arbeitsmöglichkeiten; Reisefreiheit unabhängig vom Status
Die erarbeiteten Vorschläge wurden folgend auf dem Podium von zwei Teilnehmerinnen des Projekts «Stimmen geflüchteter Frauen», Maia Shashviashvili und Manahil Mohammed, Rozë Berisha, Verantwortliche Beratung Brava, Marwa Younes, Verantwortliche Politische Arbeit mit Fokus geflüchtete Frauen und Mejreme Omuri, Anwältin mit Fokus Ausländer- und Asylrecht diskutiert.
Mit dieser Veranstaltung ist es nicht getan. Sie soll den Schweizer Behörden als gutes Beispiel dienen. Denn Plattformen und Beteiligungsmöglichkeiten für Geflüchtete sind essenziell, um ihre Bedürfnisse und Anliegen mitzudenken. Geflüchtete Menschen müssen selbst einen Platz am Tisch haben, denn sie sind die Expert_innen ihrer Situation. Wir fordern, dass die zuständigen Behörden hier aktiv werden und Gefässe schaffen, damit alle Menschen, die einer Gesellschaft angehören, gehört werden. Um diese Forderung zu untermauern, wird in den nächsten Tagen ein gemeinsam erarbeitetes Postulat an Behörden, Institutionen und Organisationen verschickt.